Was heißt Qigong?

Der Begriff Qigong ist relativ jung. Er wurde in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt, als es offiziellen Stellen in China darum ging, traditionelle Übungen und Methoden der Krankenbehandlung und Gesunderhaltung zu fördern und einer größeren Öffentlichkeit verfügbar zu machen. Davor waren diese Übungen und Methoden unter den Bezeichnungen Yangsheng und Daoyin bekannt. 

Der Begriff setzt sich aus zwei Zeichen bzw. Worten zusammen: Qi und Gong. Qi kann in diesem Zusammenhang am besten übersetzt werden mit „Lebensenergie“, „vitale Energie“, „Lebenskraft“, Gong heißt unter anderem „Fähigkeit“, „Fertigkeit“, „Verdienst“. Wir verstehen Qigong also am besten als „Fertigkeit, mit der vitalen Lebensenergie umzugehen und sie zu nutzen“.

Was ist Qi?

Das Konzept vom Qi steht im Zentrum des chinesischen Denkens, der chinesischen Philosophie und der chinesischen Medizin. Dementsprechend vielfältig sind die Bedeutungsfelder des Begriffs und auf dementsprechend vielfältige Weise manifestiert sich das, was man Qi nennt, in der Welt. 

In seiner umfassendsten Form ist Qi die Grundsubstanz des ganzen Universums, das  heißt alles,  was existiert, ist Qi, indem es aus einem ursprünglichen, einheitlichen, allumfassenden Sein stammt, das man das „ursprüngliche, einheitliche Qi“ nennen kann. Aus dieser undifferenzierten Ursubstanz ohne Grenzen und ohne Form manifestieren sich im permanent sich vollziehenden schöpferischen Akt „die zehntausend Dinge“, das heißt die unendliche Vielfalt der Welt. 

Für das Qigong und für die chinesische Medizin ist dabei Folgendes wichtig: Im Menschen nimmt das ursprüngliche, einheitliche Qi drei verschiedene Verdichtungszustände an und bildet so die drei grundlegenden Ebenen der menschlichen Existenz aus, die man in der chinesischen Medizin die drei Schätze nennt: Die dichteste Ebene ist die körperliche Ebene (Essenz, Jing), die feinste Ebene ist die des Geistes (Shen) und die mittlere Ebene ist die Ebene des Qi, diesmal im obigen Sinne von vitaler, individueller Lebenskraft. Alles, was den Menschen und das menschliche Leben ausmacht, entsteht aus einem Zusammenspiel dieser drei Schätze. 

Qi hat so gesehen also zwei Gesichter. Einmal ist es alles und allumfassend, und einmal ist es das, was als mittlerer der drei Schätze Körper und Geist verbindet, belebt und reguliert. Um diesen zweiten Aspekt des Qi und seine Bedeutung für ein harmonisches und gesundes Funktionieren des Organismus geht es uns beim Qigong-Üben ganz besonders.

Welche Funktionen hat das Qi?

Wir haben Qi mit „Vitale Lebenskraft“ übersetzt. Was ist diese Kraft, wie wirkt sie und was sind ihre Aufgaben? Ganz im Grunde sind diese Fragen nicht zu beantworten, weil sie an das Mysterium des Lebens grenzen und letztlich auf die Frage „was ist Leben?“ hinauslaufen. Trotzdem kann man vieles sagen, und es ist eine Stärke gerade des chinesischen Denkens und der chinesischen Medizin, für die Beschreibung der „vitalen Lebenskraft“ ein differenziertes theoretisches Modell zur Verfügung zu haben. 

Von den Funktionen des Qi, wie sie sich aus der Sicht der chinesischen Medizin und des Qigong darstellen, wollen wir vier herausgreifen und kurz besprechen: Bewegen, Halten, Nähren und Schützen. 

Alles, was lebt, ist in Bewegung. Lebende Organismen sind Systeme hoher Ordnung, die sich durch ununterbrochene Selbstregulations- und Selbstregenerationsvorgänge erhalten und entwickeln. Das alles sind Bewegungen. Aus der Sicht der chinesischen Medizin bewegt und transformiert sich dabei ununterbrochen und in vielfältiger Weise das Qi, aus westlich-medizinischer Sicht laufen jede Sekunde Milliarden von biochemischen und biophysikalischen Umwandlungsprozessen in Stoffwechsel und Nervensystem ab. Wenn diese Bewegungen ungehindert und natürlich ablaufen können, ist das die Basis für ein gesundes Leben. „Wenn das Qi frei und ungehindert fließt, bedeutet das Harmonie und Gesundheit“

Der Partner des Bewegens ist das Halten. Was sich nur bewegt zerfließt. Was sich nur hält erstarrt. Das gelungene Zusammenspiel der beiden ermöglicht körperliche und geistige Gesundheit und Entwicklung. Die haltende Funktion des Qi manifestiert sich zum Beispiel in der aufrechten Körperhaltung, einer kräftigen Wirbelsäule, einem straffen Gewebe, dem Halten von Organen in ihrer natürlichen Position, dem Halten einer inneren emotionalen und geistigen Mitte. Zu jedem Aspekt von Bewegung gibt es einen Aspekt von Halten. „Es gibt kein Yin ohne Yang, kein Yang ohne Yin“. 

Die nährende Funktion bezieht sich auf die inneren Organe. Wenn das Qi kräftig ist, können  Verdauung, Atmung, Kreislauf, und Stoffwechsel klaglos funktionieren und die inneren Organe werden in ihrer Funktion und Entwicklung genährt und gefördert. Bei Energiemangel, zum Beispiel im Rahmen von Krankheiten, Fehlernährung, Überanstrengung oder emotionaler Erschöpfung hungern die inneren Organe und ihre Funktionen werden schlechter. Wenn Belastungen abgebaut werden und das Qi gekräftigt wird, können sie sich wieder erholen und Körper und Geist können gesunden. 

Der Partner des inneren, nährenden Qi ist das äußere, schützende Qi, das sogenannte Abwehr-Qi. Es ist in vieler Hinsicht bedeutungsgleich mit der immunologischen Abwehrkraft nach westlicher Diktion. „Das Abwehr Qi herrscht über die Oberfläche“, das heißt es ist überall dort aktiv, wo der Organismus sich mit den Herausforderungen und Anfechtungen der Umwelt auseinandersetzen muss, um sich durch Anpassung und Abgrenzung in seiner Integrität zu erhalten. Wenn das Abwehr-Qi kräftig und intakt ist, ist die Oberfläche warm und gut durchblutet, die Infektanfälligkeit ist gering, die körperliche und seelische Belastbarkeit ist gut, schädigende Umwelteinflüsse können besser abgewehrt werden und die Entstehung von Krankheiten aller Art ist weniger wahrscheinlich.

Wie kann Qigong die Funktionen des Qi verbessern?

Qigong-Übungen wirken, indem man mit ihnen die Funktionen des Qi verbessert. Anders gesagt: Qigong ist eine Methode, die, wenn man sie einigermaßen richtig und regelmäßig durchführt, zu einer Verbesserung der Funktionen des Qi führt. Und das bessere Funktionieren des Qi bringt dann eine Verbesserung aller oben genannten physiologischen Vorgänge mit sich. 

Das Qi manifestiert sich wie gesagt auf drei Ebenen in drei unterscheidbaren Formen: Auf der materiellsten Ebene als Körper (Essenz, Jing), auf einer feinstofflicheren Ebene als vitale Lebensenergie (Qi) und in seiner feinsten Form als Geist (Shen). In der Methodik des Qigong-Übens spiegelt sich diese Dreiheit wider: Es geht um das Halten und Bewegen des Körpers, um das Fließen des Atems und um die Verfassung des Geistes, insbesondere um die Funktionen von Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft.

Welche Bedeutung haben das Halten und das Bewegen des Körpers?

Das Halten des Körpers korreliert mit den haltenden Funktionen des Qi. Eine aufrechte und entspannte Haltung des Körpers geht einher mit einem aufrechten (geordneten) und entspannten Zustand des Qi. „Stabil, aufrecht und locker“ ist daher das erste Prinzip, das wir beim Üben praktizieren. 

Die Art und Weise, wie wir uns körperlich bewegen korreliert mit der Art und Weise, wie sich das Qi im Körper bewegt. Wenn wir den Körper weich, rund und fließend bewegen, bewegt sich mit der Zeit auch das Qi im Körper weich, rund und fließend. Diese Wirkung der körperlichen Bewegung auf die Bewegung des Qi entwickelt sich nicht sofort, aber nach und nach, durch regelmäßiges, richtiges Üben passt sich die Bewegung des Qi der Bewegung des Körpers an. „Weich, rund und fließend“ ist daher ein weiteres Prinzip, an das wir beim Üben immer wieder denken.

Welche Bedeutung hat das Fließen des Atems?

Atem und Qi sind eng verwandt. Atem ist auch eine der Bedeutungen des Zeichens „Qi“, und die Qigong-Übungen werden daher oft auch als „Atemübungen“ bezeichnet. Das ist zwar nicht ganz richtig, weil Qi und Atem dann auch wieder nicht identisch sind, aber es gibt eine enge Verbindung zwischen den beiden. 

Wenn die Bewegung des Atems weich, rund und fließend wird, dann wird auch die Bewegung des Qi mit der Zeit weich, rund und fließend, und wenn der Atem auf natürliche Art und Weise von selbst einströmt und ausströmt, dann fließt mit der Zeit auch das Qi auf seine ihm eigene, natürliche Art und Weise.

Welche Bedeutung hat die Verfassung des Geistes?

Das Qi manifestiert sich in seiner feinsten Form als Geist („Shen“), das Qi zu regulieren und in seinen Funktionen zu verbessern heißt auf dieser Ebene daher den Geist zu regulieren und in seinen Funktionen zu verbessern. 

Um diesen Gedanken nachvollziehen zu können ist es wichtig zu wissen, dass der Geist aus der Sicht des Qigong einerseits wegen seiner Leistungen hochgeschätzt, andererseits aber auch als Störenfried angesehen wird, weil das viele Denken und die vielen Emotionen, die uns dauernd durch den Kopf und durchs Gemüt gehen, ein hohes Maß an innerer Unruhe, Anspannung und Verschleiß erzeugen, die sich auch auf die Funktionen des Qi, die natürlichen Selbstregulationsvorgänge und die Gesundheit störend auswirken. 

Wenn es gelingt, in eine ruhigere geistige Verfassung zu kommen, in der die Aktivitäten des Denkens und der Emotionen für eine Zeit lang weniger werden, dann hat das daher eine wohltuende und gesundheitsfördernde Wirkung.

Wie kann man in eine ruhigere geistige Verfassung kommen?

Wenn man versucht, weniger zu denken und seine Gefühle zu beruhigen, dann erreicht man unter Umständen das Gegenteil, die Absicht ist nur ein weiterer Gedanke, und das Misslingen bringt neue Emotionen hervor. Man braucht also einen kleinen Trick, und der besteht darin, dass man die Gedanken und Gefühle sein lässt, wie sie sind, und die Aufmerksamkeit etwas anderem zuwendet: dem Üben. Indem die Aufmerksamkeit immer wieder zurückkehrt zum Halten und Bewegen des Körpers, zum Fließen des Atems und zu einigen wenigen, die Prinzipien des Übens betreffenden Vorstellungen, wird die Aktivität des Geistes auf diese begrenzten Inhalte versammelt, und der Strom der Gedanken und Emotionen wird ganz von selbst weniger. In der Sprache des Qigong heißt das „die vielen Gedanken durch den einen Gedanken ersetzen“. Auch das geschieht nicht von heute auf morgen, aber Beharrlichkeit bringt Segen, wie es im I Ging heißt.

Welche Auswirkungen kann man sich vom Qigong-Üben erwarten?

Das Erste, was mir einfällt, ist die Freude. Wenn man sich beim Üben und nach dem Üben wohl fühlt und freut, dann macht man es richtig. Es ist eine zarte, stille Freude, die von innen kommt und unabhängig ist von den Umständen. Auf der energetischen Ebene hat sie etwas zu tun mit dem freien Fließen des Qi, in Hinblick auf die geistige Verfasstheit, aus der heraus sie kommt, ist sie Ausdruck einer inneren Stimmigkeit, eines in Kontaktseins mit der eigenen Mitte. 

Wenn sich diese innere Stimmigkeit und der Kontakt mit der eigenen Mitte durch regelmäßiges Üben mehr und mehr festigen, dann ist man nicht mehr ganz so leicht aus der Ruhe zu bringen, sieht man manches von der heiteren Seite, kann man Wichtiges leichter von Unwichtigem unterscheiden und man steht den Anforderungen und Belastungen des Alltags gelassener und besser gewappnet gegenüber. 

Die Energie wird mehr, die Müdigkeit weniger, die Abwehrkraft gegenüber Witterungseinflüssen und Infektionen steigt. Es kann sein, dass man etwas weniger Schlaf braucht. In den Muskeln und Gelenken wird man beweglicher, das Gleichgewichtsgefühl wird besser, die Wirbelsäule profitiert von den Übungen und die Haltung verbessert sich. 

Traditionellerweise geht es im Qigong um die „Pflege des Lebens“, das heißt um das Kultivieren und Erhalten von Vitalität und Gesundheit, und um das gesunde Erreichen eines hohen Alters. Wenn man Qigong zum festen Bestandteil seines Lebens macht, kann man sicher einen großen Beitrag dazu leisten. 

Und schließlich ist Qigong auch eine therapeutische Methode und wird als solche im Rahmen der traditionellen chinesischen Medizin bei vielen Beschwerden und Erkrankungen eingesetzt.

Bei welchen Erkrankungen gibt es gute Erfahrungen?

Jede Beschwerde und jede Erkrankung geht mit einer Disharmonie im Bereich der Funktionen des Qi einher, und in vielen Fällen kann daher mit Qigong eine Besserung erzielt werden. Qigong wird dabei meistens in Kombination mit anderen Therapiemethoden eingesetzt, innerhalb der chinesischen Medizin zum Beispiel in Verbindung mit Daoyin Anqiao, Akupunktur, Kräutertherapie oder Ernährungstherapie, aber auch die Kombination mit westlichen medizinischen Methoden ist üblich und sinnvoll. 

Im Bereich der inneren Medizin werden in der chinesischen Literatur gute Ergebnisse beschrieben bei Bluthochdruck, niedrigem Blutdruck, koronarer Herzkrankheit, funktionellen Herzbeschwerden, chronischen Atemwegserkrankungen, Lungenasthma, Gastritis, Ulcuskrankheit, Leberentzündung, chronischer Verstopfung, Colitis. 

In der Onkologie wird dem Qigong ein sehr großer Stellenwert beigemessen. Die Erfolgsberichte sind zum Teil fast unglaublich, aber sicher ist es wahr, dass in China viele Krebspatienten durch intensives Qigong-Üben gesund werden und lange Zeit gesund bleiben. Solche Ergebnisse sind bei uns schwerer zu erzielen, weil uns das intensive und zeitaufwendige Üben nicht auf so natürliche Weise nahe liegt, wie den Menschen in China, aber mit der richtigen Unterweisung und entsprechendem Einsatz ist auch bei uns viel möglich. 

Bei Beschwerden des Bewegungsaparates wie Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Arthrose-bedingten Knieschmerzen, Weichteilrheumatismus gibt es gute Erfolge. Ebenso bei verspannungsbedingten Schulter-, Nacken- und Kopfschmerzen und verschiedenen anderen Schmerzzuständen. 

Bei vielen funktionellen, vegetativ oder psychosomatisch bedingten Beschwerden und Erkrankungen ist Qigong eine gute Methode. 

Im Bereich der Gynäkologie wirkt Qigong gut bei  Regelbeschwerden und Organsenkungsbeschwerden und kann zur Geburtsvorbereitung verwendet werden. 

Die Aufzählung ist natürlich keineswegs vollständig, wenn Sie eine persönliche Frage haben, können Sie sich gerne an uns wenden.

Gibt es für verschiedene Erkrankungen verschieden Arten von Qigong?

Einerseits gibt es Methoden, die in der Behandlung von bestimmten Erkrankungen besonders bewährt sind, und es gibt auch Übungen, die der Stärkung bestimmter Organe dienen, wie zum Beispiel die Übungen der heilenden Laute für Herz, Leber, Nieren und so weiter. Andererseits ist das Regulationssystem ein vernetztes, ganzheitliches System, und jede Qigong-Übung spricht über die Verbesserung der Funktionen des Qi den ganzen Organismus und alle Organe an. Die Wahrheit liegt daher wie meistens in der Mitte, und wenn man drei bis fünf gute Qigong Übungen im Repertoire hat, die gut zusammenpassen und sich von ihrer Wirkung her ergänzen, dann ist man für alle Situationen gut ausgestattet.

Gibt es eine Behandlung mit äußerem Qi?

Bei der „Behandlung mit äußerem Qi“ behandelt ein erfahrener und dafür ausgebildeter Qigong-Praktiker einen kranken Menschen mit seinem Qi. Dass es das Phänomen gibt, das ja nicht nur im Qigong bekannt ist, steht fest, wie man es sich erklären soll, ist eine andere Frage. Man kann sagen, dass Energie übertragen wird, die sich im Patienten stärkend und heilend auswirkt, oder man kann es sich als Information vorstellen, die von einem System auf das andere übertragen wird und zu einer Aktivierung und Verbesserung der Selbstregulation führt. Ich denke die Erklärung wird nicht viel anders sein, als die, die wir für das eigene Üben formuliert haben: „Qigong Übungen wirken, indem sie die Funktionen des Qi verbessern“, in dem Fall nicht die eigenen, sondern die des behandelten Patienten.  

Warum ist es zu empfehlen, Qigong zu üben, wenn man mit Daoyin Anqiao behandelt?

Beim Daoyin Anqiao behandelt man, indem man einen Akupunkturpunkt mit dem Mittelfinger leicht berührt, und diesen Kontakt über längere Zeit hält. Man kann sich selbst behandeln oder jemand anderen. Die Behandlung wird wirksam, weil durch das Berühren des Punktes das Fließen des Qi im zugehörigen Meridian quantitativ verstärkt und qualitativ verbessert wird. Es ist also verständlich, dass die Wirkung der Behandlung umso besser sein wird, je stärker und besser (harmonischer, geordneter) das Qi der behandelnden Person zum Zeitpunkt der Behandlung ist. Daoyin Anqiao und Qigong ergänzen sich daher auf ideale Art und Weise. Wenn man sich selbst behandelt, dann macht man am besten zuerst Qigong, und im Anschluss die Daoyin Anqiao-Behandlung.

Darüber hinaus verbessert sich durch das Üben von Qigong auch die Wahrnehmungsfähigkeit für die Qualität und das Fließen des Qi, und das wiederum die diagnostischen Fähigkeiten. Dr. Fu hat gesagt, dass jede Behandlung gleichzeitig auch eine Diagnose ist, das heißt man spürt während der Behandlung die Veränderungen am Punkt und im Qi, und stellt das weitere Vorgehen darauf ab. Diese Fähigkeit kann man wesentlich schneller entwickeln, wenn man regelmäßig Qigong übt.

Welche Arten von Qigong gibt es?

Es gibt hunderte verschiedene Arten von Qigong, aber man braucht im Grunde nur eine, um damit ein Leben lang gut üben zu können. In der Regel ist es so sein, dass man im Lauf der Zeit drei, vier oder fünf verschiedene Übungen erlernt, und mit diesen Übungen dauerhaft arbeitet. 

Eine häufig verwendete Einteilung der Übungen ist die in „bewegtes“ und „ruhiges Qigong“. Das heißt, es gibt Übungen, bei denen Bewegungen im Vordergrund stehen und solche, bei denen man ruhig steht oder sitzt. Auch in den bewegten Übungen ist Ruhe enthalten und im ruhigen Stehen oder Sitzen gibt es auch eine Bewegung, dennoch ist das eine sinnvolle Unterscheidung und man sollte von beidem etwas in sein Übungsprogramm aufnehmen. 

Andere häufig gebrauchte Einteilungen richten sich nach der Absicht und dem Ziel des Übens (Qigong zur Gesundheitspflege, Medizinisches Qigong, Qigong im Zusammenhang mit den Kampfkünsten, Qigong als Meditation), oder nach den historischen Wurzeln der Übungen (buddhistisches, taoistisches Qigong). Alle diese Einteilungen sind nur bedingt sinnvoll, weil jede gute Qigong-Übung mehrere der oben genannten Aspekte beinhaltet, und weil Qigong als Methode zwar einen inneren Bezug zur chinesischen Philosophie hat, aber ganz unabhängig ist von deren religiösen Implikationen.

Wie kann man Qigong erlernen?

Es gibt einen schönen Spruch: „Qigong ist leicht, Qigong üben ist schwer“. Das stimmt. Die Bewegungsabläufe und Körperhaltungen sind einfach und nicht schwer zu erlernen, so dass man sie schon bald so durchführen kann, dass sie anfangen zu wirken. Dann aber dranzubleiben und das zu machen, was das Wichtigste ist, nämlich regelmäßig und ausreichend lange zu üben, das ist nicht so einfach. Wenn man es tut, wird man belohnt. 

Wie genau man als Anfänger eingeführt wird, hängt vom Lehrer oder von der Lehrerin ab. Was jedenfalls feststeht ist, dass man einen Lehrer oder eine Lehrerin braucht, es nur aus Büchern zu versuchen ist nicht zu empfehlen und führt oft in die Irre. 

Wie oft und wie lange soll man üben?

Ich sage gerne: fast täglich wenigstens eine Dreiviertelstunde. Fast täglich, weil täglich ist nicht realistisch, und außerdem soll man es auch nicht zu genau nehmen. Und wenigstens eine Dreiviertelstunde, weil das die Zeit ist, die man braucht, um in Ruhe zu kommen, eine halbe Stunde in Bewegung und in Ruhe zu üben, und dann noch einen guten Abschluss zu machen. Wenn man das eine Zeit lang macht, dann merkt man, wie es anfängt zu wirken, und es macht immer mehr Freude. Eines Tages möchte man es dann nicht mehr missen. 

Natürlich kann man auch öfter und länger üben. Zum Beispiel morgens und abends, oder man macht eine ganze Stunde. Das ergibt sich im Laufe der Zeit von selbst und soll sich aus einem inneren Bedürfnis heraus entwickeln, man soll es nicht forcieren. Das mit Abstand Wichtigste ist jedenfalls die Regelmäßigkeit. Es ist wie beim Blumengießen: Regelmäßig die richtige Menge, nicht zu viel und nicht zu wenig, dann stehen die Pflanzen im Saft.

Wann und wo soll man üben?

Die beste Übung ist die, die man macht, und die beste Zeit ist die, zu der man Zeit dazu hat. Wenn man im Getriebe des Alltags steht, wird das irgendwann am Morgen oder am Abend sein, und das sind auch von der Tradition her gesehen günstige Zeiten. Wenn man mehr Zeit und Muse hat oder wenn man Qigong zur Behandlung einer Krankheit einsetzen will, kann man natürlich auch zu anderen Zeiten üben. 

Was den Ort angeht, so kann man im  Freien und im Zimmer üben, je nachdem, wie es die Umstände ermöglichen. Wenn es immer der gleiche Platz ist und wenn man sich den angenehm herrichten kann, ist es für die tägliche Praxis eine Hilfe, andererseits ist man beim Qigong aber auch weitgehend unabhängig von den äußeren Umständen, man kann auch im Hotelzimmer, beim Spazierengehen oder beim Warten auf die Straßenbahn üben.

Braucht man auf Dauer einen Lehrer?

Nach einem Einführungskurs kann man mit dem selbständigen Üben beginnen. Im Kurs selbst wurde man mit den Übungen gewissermaßen bekannt gemacht, durch viele Rendezvous in Form regelmäßigen Übens lernt man sie dann nach und nach kennen, und ab einem bestimmten Zeitpunkt werden die Übungen selbst zum Lehrer, und man beginnt von ihnen zu lernen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die man dann aus der eigenen Praxis gewinnt, sind besonders wertvoll. 

Um auf diesem Weg zu bleiben und vorwärtszukommen, ist der Kontakt zu einem Lehrer oder einer Lehrerin und zu einer Übungsgruppe auf die Dauer notwendig. Man muss nicht die ganze Zeit Kurse besuchen, man kann durchaus einmal ein halbes Jahr oder ein Jahr alleine nur für sich üben, aber dann und wann braucht man den Anschluss, um etwas dazuzulernen, Fehler zu korrigieren, vom Energiefeld einer Gruppe zu profitieren und neue Motivation zu tanken.